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Studieren im Ausland: St. Petersburg: Ein verfrühtes Ende

Autor:
Max

Rubrik:
studium

12.04.2022

Hätte mir jemand Ende Januar gesagt, ich helfe ukrainischen Geflüchteten bei ihrer Registrierung in Dresden, ich wäre vom Glauben abgefallen. Schließlich hatte ich damals gerade die letzten Details für ein Auslandssemester in Sankt Petersburg geklärt und voller Vorfreude auf den Abflug hingefiebert. Zu dem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland – wie eigentlich in den vergangenen 8 Jahren auch – bereits angespannt, doch ein Krieg war für mich ein in meinem Kopf nicht vorhandenes Szenario.

So bin ich schließlich am 4. Februar in die russische Metropole geflogen, mit der Perspektive, das Studierendenleben in St. Petersburg kennenzulernen, meine geringen Russischkenntnisse auszubauen und neue Freundschaften zu knüpfen. Die Pandemie hatte mich fortlaufend zweifeln lassen, ob das Auslandssemester tatsächlich möglich sein würde, doch als ich eine Woche vor Abflug mein Visum abholte, nahm alles konkrete Formen an und ich entwickelte in sehr kurzer Zeit eine große Vorfreude auf die bevorstehende Zeit.

Ich war gerade mal drei Wochen in Russland, als sich Ende Februar innerhalb weniger Tage eine völlig veränderte Situation entwickelte. Der 24.2.22 markierte den Beginn eines Krieges, der bis zum heutigen Tag andauert und das Leben tausender unschuldiger Menschen kostet. Angeführt von seinen Machthabern bestreitet Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine – so etwas hatte ich in unserem modernen, globalisierten Zeitalter nicht mehr für möglich gehalten. Unter den Russ*innen in meinem neuen Freundeskreis brach Angst und Wut auf die Regierung aus. Sie wollten nichts mit dem Krieg zu tun haben und fürchteten sich vor den Sanktionen. Egal, wer diesen Krieg am Ende gewinnen wird – es bleiben Millionen Verlierende zurück.

Der neue Umstand sorgte für eine große Ausreisewelle unter den Austauschstudierenden an meiner Universität in Sankt Petersburg. Meine Devise war vorerst „abwarten“, doch gleichzeitig war mir bewusst, dass ich jederzeit meine Koffer packen können und ausreisen musste, falls das Fass drohte, überzulaufen. Am 28.2. entschied ich mich dann ebenfalls dazu, auszureisen und nach Deutschland zurückzukehren. Ich war enttäuscht, wütend und traurig darüber, dass meine Zeit in Sankt Petersburg nach nicht mal einem Monat schon wieder vorüber war.

Inzwischen habe ich mich wieder aufgerappelt, meine Bachelorarbeit abgegeben und einen Plan B für das anstehende Sommersemester geschmiedet. Ich wohne nun wieder in meiner Studienstadt Dresden, wo ich ein WG-Zimmer zur Untermiete für ein halbes Jahr habe. Zum Abschließen des Bachelors fehlt mir nur noch ein Modul, dass ich jetzt hier statt in Sankt Petersburg belege. Seit Neuestem helfe ich außerdem ukrainischen Geflüchteten bei Behördengängen, womit wir wieder beim Anfang der Geschichte sind. Die Arbeit zeigt mir, dass ich für die Umstände, unter denen ich lebe, sehr dankbar sein kann, und gibt mir außerdem die Möglichkeit, weiterhin ein bisschen Russisch zu sprechen.

Ursprünglich hatte ich vor, euch von Sankt Petersburg aus einen Einblick in mein Leben zu geben und euch auf Erkundungstour dieses spannenden Landes mitzunehmen. Gerade, als ich meine ersten Beiträge fertig hatte, begann jedoch der Krieg und ich hatte erst einmal wichtigere Sorgen. Dennoch möchte ich euch meine Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken aus dieser brisanten Zeit nicht vorenthalten, auch wenn sie für mich inzwischen schon mehr als einen Monat zurückliegt. In den nächsten Beiträgen begleitet ihr mich also rückblickend auf meiner kurzen, intensiven Russlandreise.

Viel Spaß beim Lesen!